Leider ist das Reychsarchiv verschollen und vieles zum Reych Erforda liegt im Dunkeln. Sollten Sie Hinweise zum Verbleib haben (auch wie die Gestapo mit den Archiven verblieben ist) oder Gegenstände auf den Bildern erkennen oder uns sonstige Hinweise zu Erforda geben können, dann wären wir über eine Kontaktaufnahme Ihrerseits ausgesprochen dankbar.

ZUM GELEIT

Die Erforda wird 125.
Unsere Erforda wird 125.
Meine Erforda wird 125.

Egal, aus welcher Perspektive man es betrachtet: Ein Grund zum Feiern ist es allemal. Mehr vielleicht aber noch ein Anlaß, einzuhalten und einen Moment der inneren Sammlung zuzulassen, in dem man sich vergegenwärtigt, welch eine enorme Zeitspanne hier angesprochen ist. Nehmen wir zunächst das Profane in Stichworten: Kaiserreich, 1. Weltkrieg, Weimarer Republik, Nazi-Herrschaft, 2. Weltkrieg, SBZ, DDR, Wiedervereinigung.

Dann die Personen: Sie waren stets Kinder ihrer Zeit und standen mitten im Leben. In der gesamten Bandbreite persönlicher Lebensgefühle war alles vertreten. Aber es hat stets eine Konstante gegeben, und das war die Faszination des schlaraffischen Gedankens und davon abgeleitet die Treue zu unserem Bund.

Dies ist das Verbindende. Und es scheint, mal mehr und mal weniger deutlich, in den Bildern auf, mit denen die Geschichte der Erforda erzählt werden kann, weil der Geist, der uns einte und immer noch eint, weiter fortwirkt. Wir dürfen stolz darauf sein, uns als Teil dieser Geschichte fühlen zu können, aber wir müssen sie auch als Ansporn begreifen, das uns zu treuen Händen übergebene Erbe zu wahren, zu pflegen und fortzuentwickeln, damit es die Generation nach uns übernehmen kann.

Unser Reych blickt auf eine reiche Tradition zurück, ist an Zahl aber klein. Eine pompöse Festveranstaltung mit Hunderten von Gästen kam für uns nicht in Frage, denn wir wollen unseren Ehrentag vor allem im Kreise von Freunden im eigentlichen Sinne feiern: Dies sind zunächst die Thüringer Reyche, sodann die Mitglieder des Familienstammbaums und zum guten Schluß unsere Ehrenritter und Sassen anderer Reyche, die sich der Erforda innerlich verbunden fühlen. Ihnen allen, aber natürlich auch den übrigen Gästen, gilt unser uhuhertzliches Willekumm.

Diese kleine Festschrift beleuchtet in acht Bildern einzelne Episoden und Aspekte aus der Vergangenheit der Erforda. Die Auswahl ist, das sei gerne zugegeben, auch von persönlichen Vorlieben des Verfassers bestimmt, im Wesentlichen aber durch die Beschränkungen, die sich daraus ergeben, daß es so gut wie keine Quellen zur Zeit bis a.U. 78 gibt, da das Reychsarchiv verschollen ist. Ob sich einer der Sassen seiner damals angenommen und es in seinem Keller untergebracht hat, von wo aus es später durch Unkundige auf den Müll gelangte; ob es bei der Gestapo abgeliefert und bei Bombenangriffen oder später auf dem Transport nach
Moskau vernichtet wurde, ist nicht mehr festzustellen, und es ist eigentlich auch ohne Bedeutung, denn heute müssen wir davon ausgehen, daß es physisch nicht mehr existiert.

Ich wünsche mir, daß diese kleinen Skizzen ein Bild von dem vermitteln können, was Erforda war und ist. Und daß sie dem Lesenden gefallen und ihm anregende und kurzweilige Lektüre sein können.

Der Erforda wünsche ich gutes Gedeihen und weiteres Blühen. Und daß sich im Kreise ihrer Sassen immer genügend finden, die ihr die Liebe entgegenbringen, ohne die ein Reych nicht leben kann.

Erforda, im Ostermond a.U. 157
Rt. Libro-viel vom alten Kastell


Erstes Bild: Uhu läßt sich im profanen Erfurt nieder

Erster Aufzug: Eine Colonie stolpert ins Uhuversum

Den Start für schlaraffisches Leben im profanen Erfurt holprig zu nennen, wäre wohl eine gelinde Untertreibung. An der Wiege des ersten Uhunestes standen Spontaneität, Unüberlegtheit und Hauruck-Mentalität. Mit dieser an und für sich schon nur bedingt bekömmlichen Mischung wurden die ersten Sassen der Colonie Erfordia bepackt und in ihr neues Dasein als Jünger Uhus entlassen. Dieser hatte es gefügt, daß das Reych Gotaha am des Heumondes a.U. 1584 in den Mauern des profanen Erfurt eine außerordentliche Sippung celebrierte.

Eine der Schlüsselpersonen in diesem Zusammenhang ist der profane Albert Kanter, der als Eisenbahn-Betriebssekretär in Erfurt tätig, jedoch in der Gotaha als Junker Albert seßhaft war. Dieser hatte sich wohl schon eine Weile mit dem Gedanken getragen, in Erfurt ein Uhunest einzurichten und auch ein wenig „vorgearbeitet“ (also vermutlich profane Interessenten angespochen). Aus heiterem Himmel und für alle, selbst den erwähnten Jk. Albert, überraschend, lud die Nordhusia für den 5. Heumond zu einer Gründungssippung nach Erfurt ein, zu der sich auch eine größere Zahl Profaner eingefunden hatte. Vorfreude auf ein ungewöhnliches Ereignis, Neugier, Interesse an einer wohltuenden Abwechslung oder was auch immer bestimmten eine große Anzahl von Goten, der Einladung Folge zu leisten und in das uhufinstere Erfurt zu reiten. Die Nordhusia war damit verglichen leicht in der Minderheit, denn sie entsandte neben den Rtt. Hanno und Bräsig nur sechs weitere Ritter. Hkt. Hanno fungierte bei der Gründungszeremonie, bei der 16 Profane zu Gründungsrittern geschlagen wurden.

Dann überließ er das Scepter der Gotaha-Herrlichkeit Rt. Säugling vom Ecksteyn, und dieser erklärte nun den Beginn einer eingeschobenen Sippung der Gotaha. Kraft seiner Erleuchtung schlug er den Junker Albert spontan zum Ritter Apollo von der pathetischen Kurve, der sogleich seinen Austritt aus der Gotaha und den Eintritt in die Kolonie verkündete. Diese war nun mit lediglich einem „echten“ Schlaraffen bestückt, der sich in den Gepflogenheiten des Bundes zumindest so einigermaßen auskannte, aber er alleine konnte auf Dauer nicht gegen die Überzahl schlaraffisch „Ungebildeter“ ankommen. Erschwerend trat hinzu, daß die Nordhusia sich um ihre Tochter überhaupt nicht kümmerte und sie nicht einmal bei der Praga anmeldete. Das überließ sie in vornehmer Zurückhaltung dem Rt. Krakeel der Gotaha, der in der Bekanntmachung der Neugründung durch
die Allmutter denn auch gebührende Erwähnung fand.

Die Gründungsbekanntmachung der Colonie Erfordia

Als Gründungsritter sind anzusehen:

OSRt. Apollo v. d. pathetischen Kurve (A. Kanter; Eisenbahn-
Betriebssekretär)
OS, SchRt. Alte vom Berge (A. Eschrich; Malermeister)
OS, KRt. Singuf der Notensänger bzw. der Zuspätgekommene
(E. Wolf; Kapellmeister)
MRt. Carolus der steinerne Gast (C. Bornemann; Bildhauermeister)
CRt. Nabob der Wurstige (H. Karst; Rentier)
Rt. Unko v. d. Sumpfenburg (Ewald Arnold; Kaufmann)
Rt. Negativ der Positive (C. Festge; Hofphotograph)
Rt. Heinrich der Vogler (A. v. Pöppinghausen; Buchhalter)
Rt. Rothbart der Plattenschinder (H. Bissinger; Photograph)
Rt. Friedrich der Leinefelder (Friedrich Lange; Lackfabrikant)
Rt. Quell der Zugknöpfte (H. Neubert; Restaurateur)
Rt. Sturm der Irisfarbige (C. Sturm; Inhaber eines Bierversandes)
Rt. Trink von Trinkenstein (A. Kleineke; Baumeister)
Rt. Hugo (der Saftbraune) um die Ecke (H. Meyer; Maler)
Rt. A der Raubärtige bzw. Raubart der Borstige
(A. Zschimmer; Maler)
Möglicherweise gehörten dazu auch noch:
Rt. Bach vom Clowicymbel (O. Bachmann)
Rt. Urach der Schwarze (Amor der Angeklebte) (Otto Dittmann)
Gründungsritter Colonie Erfordia

Daneben erwähnt Krakeel in seiner Chronik der Gotaha noch einen geheimnisvollen Mann namens G. Gerstel. Dieser führte den Ritternamen Gustav der Fromme, ist aber wohl tatsächlich niemals Schlaraffe gewesen. Das hinderte ihn aber nicht daran, den gewählten Oberschlaraffen das Leben schwer zu machen, indem er eine Art Opposition anführte, die offenbar nicht ohne Einfluß war.

Dadurch brachen offenbar schon kurz nach der Gründung Zwistigkeiten aus, und am Ende der Sommerung hatte Rt. Apollo genug: In der ersten Sippung der neuen Jahrung schon bat er in der Gotaha darum, als Fahrender in ihrer Matrikel wieder aufgenommen zu werden, was vom Reych „mit brausenden Lulu“ beantwortet wurde. Zumindest in der Stammrolle 1585/86 wird er allerdings auch noch als Oberschlaraffe der Kolonie geführt.

Bezeichnend für den mangelnden Elan der Gründer ist allein schon der Umstand, daß die Colonie die Winterung überhaupt erst am 12.12. eröffnete, also mehr als zwei Monate später als gewöhnlich. Da hatten sich bereits neun Ritter wieder verabschiedet, denen als Nachwuchs aber immerhin ein Junker und zwei Knappen gegenüber standen. Gesippt wurde im Kaisertunnel in der Futterstraße. Die entsprechende Restauration wurde vom Junker Udeis (prof. C. Niemand) bewirtschaftet.

Die Sassenschaft dünnte immer weiter aus. Trotz etlicher Neuaufnahmen (immerhin wurden bis zum Schluß 34 Knappen gezählt) konnte sich nie ein stabiler Bestand an konstruktiv mitwirkenden Sassen herausbilden.

Viel zu lange sah die Nordhusia diesem Zerfall tatenlos zu. Als sie sich endlich dazu entschloß, ihre Ritter Hanno und Atzmann zur Aufsicht zu entsenden, war es zu spät. Hinzu kam, daß Rt. Atzmann auf der Seite der Opposition stand und so zum Gegenspieler von Rt. Hanno wurde.

Die Colonie Erfordia verlor also gleich zu Beginn einen erheblichen Teil ihrer Sassen, dümpelte noch etwa anderthalb Jahrungen vor sich hin, und am 28.02. a.U. 1586 teilte die Allmutter in dürren Worten mit, daß sie sich am 14. des Mondes freiwillig aufgelöst habe und demzufolge in der Stammrolle zu streichen sei. Damit hatte sich das von der Colonie kurz zuvor vorgetragene Ansuchen um Sanctionierung durch die Allmutter erledigt.

Krakeel als beredter Zeuge resümierte in seiner trockenen Art: „Erfordia war in der That ein todtgeborenes Kind. Zwei knappe Jahrungen quälte sie sich unter Müh und Drangsal durch ihr unschlaraffisch Dasein, dann verschwand sie im Hornung 1586 von der schlaraffischen Landkarte. Die Mitglieder versanken in der Mehrzahl in das alte uhulose Nichts, ein ganz geringer Bruchteil ließ sich in der Gotaha einschreiben, um aber auch von hier im Laufe der nächsten Jahrungen wieder abzuspringen.“


Zweiter Aufzug: Wieder ein holpriger Beginn

Mit dem Untergang der Colonie Erfordia schien das profane Erfurt als Hort eines Uhunestes zunächst gründlich verbrannt zu sein. Doch ein bescheidenes Fünkchen glomm noch immer unter der Asche. Es am Leben zu erhalten versuchte Junker Max der Gotaha (prof. Kaufmann Max Schröter), der am 25.03. a.U. 1886 in der Beilage zur Schlaraffia Zeyttungen (SZ) eine kleine Notiz erscheinen ließ, in der er kündete, daß sich die vormalige Burg der Colonie in der Obhut verschiedener Recken von Gotaha und Vimaria befände. Jeden Sonntag vormittags und abends werde sie allen lieben fahrenden Brüdern UHUs zur Einkehr und einem Humpen schäumenden Quells offen stehen. Wer die genannten Mitstreiter waren, ist nicht bekannt, aber man darf in ihnen zum einen den Junker Heinrich (prof. Henry Mohsdorf) der Vimaria vermuten, der als profaner Rechtsanwalt in Erfurt lebte, später zum Ritter Mosihi der Unbefangene geschlagen und als solcher Erzschlaraffe der späteren Erforda wurde, und zum anderen war sicher der vormalige Junker Udeis mit von der Partie, der als Gastwirt den Kaisertunnel betrieb, in dem sich die erwähnte vormalige Burg befunden hatte.

Welche Resonanz diese Verlautbarung fand, ist nicht überliefert, aber sie wird sich vermutlich in Grenzen gehalten haben. Zumindest von den Sassen der benachbarten Gotaha ist kein besonders inniger Kontakt nach Erfurt überliefert. Und auch der erwähnte Junker Max, der am 17.04. a.U 1586 zum Ritter Romulus der Wiederaufbauer geschlagen wurde, trat schon im Lethemond derselben Jahrung wieder aus, ohne später schlaraffisch noch irgendwie in Erscheinung zu treten. Es bedurfte ziemlich genau fünf weiterer Jahrungen, bevor das profane Erfurt wieder eine Erwähnung in der SZ fand: In der Beilage zur Nummer 141 vom
24.03. a.U. 1591 findet sich ein Absatz, in dem berichtet wird, daß sich der schon erwähnte Ritter Mosihi daran gemacht habe, „auf gänzlich neuem Fundament eine verjüngte Schlaraffenburg zu errichten“.

Im übrigen wird darauf hingewiesen, daß sich die Recken der benachbarten Reyche schon einmal zu einer gemeinsamen Sippung in Erfurt versammelt hätten. Diese Sippung war in der Gotaha erstmals am 28.02. a.U. 1591 ein Thema, als der bevorstehende Ritt nach Erfurt angesprochen und vom Thron der dringende Wunsch geäußert wurde, daß sich die Sassen reichlich mit Vorträgen ausstatteten. Somit kann der zarte Neubeginn schlaraffischen Lebens in die erste Hälfte des Lenzmondes datiert werden.

Die Gründungsbekanntmachung der Colonie Erforda

Nun hätte man meinen können, daß entsprechende Verlautbarungen in der SZ erschienen wären. Aber weit gefehlt: Am 01.11. a.U. 1591 machte die Allmutter die Neugründung der Oldenburgia und der Potsdamia bekannt, die bekanntlich die Reychsnummern 110 und 111 tragen. Doch erst in der Ausgabe vom 16.12. erschien die Gründungsbekanntmachung, versehen mit der Anmerkung, ein bedauerliches Versehen in der Druckerei habe die Verzögerung bewirkt. Datiert war diese Verlautbarung auf den 18.04., und dieser Tag gilt bis heute als eigentliches Gründungsdatum.

Enttäuscht wurde auch die Erwartung, daß die Colonie, allgemeiner Gepflogenheit folgend, ihr junges Dasein mit einer pompösen Anzeige bekannt machen würde, einschließlich Veröffentlichung der Gründungsstammrolle. Doch nichts geschah. Man glänzte durch vornehme Zurückhaltung und veröffentlichte in den folgenden Monaten nur die üblichen Kantzlerberichte. So wissen wir lediglich, daß die Gründungssippung am 24.04. a.U. 1591 stattfand, und es ist anzunehmen, daß der Ort wieder der Kaisertunnel in der Futterstraße war, in dem schon die verunglückte Colonie Erfordia ihr kurzes Dasein gefristet hatte. Zumindest diente diese Lokalität für die nächsten Jahrungen als Burg, bevor man zwei Jahre später umzog.

Als Erzschlaraffen der Colonie treten uns die folgenden Sassen entgegen:

Rt. Krakeel auf Dreyzen (Otto Schaaff; Amtsrichter)
OIRt. Mosihi der Unbefangene (Henry Mohsdorf; Rechtsanwalt)
OKRt. Hase der Brr-Emsige (Alfred Heine; Eisenbahndirektor)
KRt. Blech der Eintönige (Wilhelm Mensing; Musikalienhändler)
MRt. Theoderich von der Lippe (Theodor Kellner; Praktischer Arzt)
JRt. Eschenbach der Rachenputzer (Otto Wolfram;
Praktischer Arzt)
SchRt. Balsam der Arnheimliche (Otto Bahlsen; Kaufmann)
CRt. Veilchenschulze die Hebamme (Hans Rosenmeyer;
Direktor der Akademie der Tonkunst)
Rt. Fertilis der Kinderfreund (Friedrich Benary; Kaufmann)
Rt. Orpheus der Hanebüchene (Emil Büchner; Hofkapellmeister)
Rt. Postumus der Seßhafte (Erich v. Seebach; Gerichtsassessor)
Rt. Vinofex der Ehrliche (Franz Krall; Weinhändler)
Rt. Willekumm der Zehntner (Franz Natz; Hauptsteueramts-
Kontrolleur)
Erzschlaraffen der Colonie

Daß Rt. Mosihi von der Vimaria kam, wurde schon erwähnt. Ebenfalls von auswärts war Rt. Krakeel auf Dreyzen herbeigeeilt. Anders als Rt. Mosihi hatte er mit dem profanen Erfurt keine weiteren Berührungspunkte, denn er hatte dort weder Wohnsitz noch Dienststelle. Was ihn konkret von der Gotaha zur Colonie Erforda getrieben hatte, ist nicht bekannt. Sicher jedoch wird die ihm eigene Tatkraft durchaus hilfreich gewesen sein, als es an den Aufbau eines neuen Uhunestes ging.

In der Colonie herrschte offenkundig von Anfang an ein deutlich größerer Zusammenhalt, als es in der Erfordia je der Fall gewesen war. Die Erzschlaraffen blieben an Bord und hielten der Erforda die Treue, Rt. Postumus sogar bis zur Uhufinsternis. Und es gab lebhaften Zulauf. So konnten schon im Ostermond a.U. 1592 fünf Junker zu Rittern geschlagen werden, und zum Ende der ersten Winterung war man bei der Knappennummer 8 angelangt.

Die Allmutter betrachtete all dies mit Wohlgefallen. Sichtbarer Ausdruck dessen war die Bekanntmachung in der SZ vom 01.12. a.U. 1592, in der sie mit gleichem Datum die Sanktionierung aussprach und zur Ausfertigung der Sanktionsbulle schritt.

Hatte die Colonie bei ihrer Gründung noch eine etwas befremdliche Schüchternheit an den Tag gelegt, so hatte sie diese inzwischen offenbar restlos abgestreift, denn mit einer großen und höchst würdigen Anzeige in der Schlaraffia Zeyttung lud sie zur Sanktionsfeyer ein, die am 10.12. um 9 Uhr abends im Kaisertunnel steigen sollte.

Anzeige der Sanktionierung

Zu dieser Feyer, deren Verlauf in der SZ vom 01.02. a.U. 1593 ausführlich beschrieben wurde, reiste Hkt. Barbarossa von der Praga an. Er vollzog mit ernsten und erhebenden Worten den feierlichen Sanctionierungsakt, und nachdem alle salbungsvollen Reden und Gegenreden verklungen waren, begann ein „gar fröhliches Sippen und scharfes Humpenkippen“. Bis weit nach Mitternacht saßen die Freunde zusammen und ließen der eigentlichen Sippung mit Freuden und sofort eine ausgiebige Krystalline folgen. Am nächsten Morgen boten eine „festliche Frühlabung und Atzung“ Gelegenheit, die Feier standesgemäß ausklingen zu lassen, und zum Abschied kreiste der mit Schaumlethe gefüllte Aha.

Damit war es vollbracht! Erforda hatte ihren Platz im Uhuversum eingenommen. In der Zusammensetzung ihrer Sassenschaft bildete sich eine uhuversal gültige Tendenz ab, nämlich das Zurückweichen der Künstler zugunsten des bürgerlichen Mittelstandes. Nur zwei der 13 Erzschlaraffen waren dem musikalischen Fach verpflichtet, und obwohl in den folgenden Jahrzehnten zahlreiche Theaterleute und Musiker Erfordas Luft schnuppern sollten, blieben sie doch stets deutlich in der Minderheit. Das mag man rückblickend hinsichtlich der Ausprägung des schlaraffischen Spiels bedauern, doch hatte es den Vorteil, daß sich ein stabiler Mitgliederbestand entwickeln konnte. Die Künstler waren in der Regel profan bedingt eher unstet und verschwanden häufig genauso schnell, wie sie gekommen waren. Daß sich mit der Verbürgerlichung strukturelle Eigenheiten im gesellschaftlichen Selbstverständnis etablierten, die die Schlaraffia später in eine deutsch-staatstragende Rolle schoben, sollte sich ab 1914 zunehmend deutlicher auswirken und war der aktiven Gleichschaltung 1933 durchaus förderlich.

Rt. Mosihi der Unbefangene, Erzschlaraffe des Reyches

Zweites Bild: Die Erforda tritt auf die große Bühne, um sie kurz danach wieder zu verlassen sowie weitere Miscellen

Das profane Jahr 1894 versammelte zahlreiche Schlaraffen zum Allschlaraffischen Sommerfest im profanen Stettin. Auf dem Thron der Sedina saß damals Hkt. Anatole Schummrich, der nur wenige Monde später gen Erfurt ziehen und in der Erforda seßhaft werden sollte. Nach außen trat er bei dem Fest in Erscheinung, als er die offizielle „Bratenrede“ hielt. Entscheidend für unsere Geschichte ist aber etwas ganz anderes: In diesem Jahr 1894 schien es in Prag wieder einmal politisch hoch her zu gehen, vermutlich weil sich die Gegensätze zwischen Tschechen und Deutschen immer weiter verschärften. Eigentlich sollte hier das nächste Sommerfest stattfinden, doch die Allmutter hielt es für geboten, für den Fall der Fälle vorzusorgen. Und so wurde während der Tage in Sedina ein Vorratsbeschluß gefaßt, demzufolge das Sommerfest 1895 von der Erforda ausgerichtet werden sollte, falls äußere Widrigkeiten seiner Abhaltung in Prag entgegen stehen würden.

Im Lethemond a.U. 1594 sah die Praga den Zeitpunkt gekommen, eine endgültige Entscheidung in dieser Sache herbeizuführen. Just in der Sippung vom 15.10., als das Thema auf der Tagesordnung stand, war Hkt. Hase der Erforda anwesend. Er verfolgte die Verhandlungen, und nachdem die Anwesenden den genannten Vorratsbeschluß durch Abstimmung aktiviert hatten, erklärte er namens seines Reyches die freudigste Bereitwilligkeit, sich dieser ehrenvollen Aufgabe zu stellen und das Allschlaraffische Sommerfest a.U. 1595 auszurichten. Bereits zwei Wochen später erschien in der SZ eine prächtige Anzeige, in der die Allmutter dem Uhuversum von diesem Vorgang Kenntnis gab.

Etwa drei Monate später veröffentlichte die Erforda eine weitere Bekanntmachung in der SZ, in der sie auf das bevorstehende Ereignis aufmerksam machte, verbunden mit der Bitte, von parallelen Veranstaltungen ähnlicher Art nach Möglichkeit Abstand zu nehmen, um recht zahlreichen Besuch sicher zu stellen.

In der Beilage zur SZ vom 18.04. a.U. 1595 folgte die offizielle Annonce mit dem Festprogramm. Dieses sah vor, daß am Abends des 21.06. (einem Freitag), in der Festburg im Rheinischen Hof die Begrüßung stattfinden sollte, zu der Freiquell vorrätig sein würde. Für Ankommende wurde am Bahnhof ein Empfangskomitee installiert, um sie zu ihren Quartieren zu geleiten.

Für kurz nach Sonnenaufgang am folgenden Samstag wurden Stadtführungen angeboten, bevor gegen Mittag das Dampfroß gen Kösen zu satteln wäre. Auf der dortigen Rudelsburg sollte dann ein „feierliches Gelage“ (wieder mit Freiquell) steigen, gefolgt von der sich abends gegen 9Uhr im Gasthaus Zum muthigen Ritter in Kösen anschließenden offiziellen Festsippung. Natürlich stand auch hier Freiquell bereit.

Das Programm des 23.06. sah den Weiterritt nach Blankenburg vor, eventuell mit anschließender Wanderung oder Wagenfahrt durch das Schwarzatal zum Tripstein, wo wieder ein Imbiß einzunehmen sein würde. Überflüssig zu erwähnen, daß auch hier Freiquell fließen sollte.

Der letzte Punkt betraf die „feierliche Mittagsatzung“ um 4 Uhr nachmittags, die im Gasthof zum weißen Hirsch von Schwarzburg den würdigen Schlußakzent setzen sollte. Der Brückenzoll von 10,- RM war im Voraus zu entrichten, womit die Fahrkarten, ein Frühstück auf dem Tripstein sowie das „Freiquell“ abgegolten sein würden.

Das Programm (und vielleicht auch die Aussicht auf das reichlich strömende Freiquell) übte offenbar eine magische Anziehungskraft auf die uhuversale Sassenschaft aus. Mit 21 Erforden und 86 Auswärtigen war das Sommerfest deutlich besser besucht als das der Vorjahrung, und es fanden sich etliche Vertreter schlaraffischer Prominenz ein, so die Rtt. Dynamo (Praga), Adonis (Berolina) und Klex (Lipsia; Herausgeber der SZ). Insgesamt 26 Reyche waren vertreten, Hkt. Blech der Eintönige verlas 54 Blitzogramme und 14 Sendboten zum Fest, und wenn man dem am 16.11. a.U. 1595 in der SZ veröffentlichten ausführlichen Bericht Glauben schenken darf, verließ niemand unzufrieden die Gemarkungen der Erforda, woran die bis zum Schluß wacker durchhaltende Reychskapelle sicher ihren Anteil hatte.

Zu diesem Anlaß gab die Erforda ein aufwendig gestaltetes Einladungsheft mit lithographiertem Umschlag heraus. Ein glücklicher Zufall hat es gefügt, daß ein Exemplar davon im ansonsten eher schlecht bestückten Archiv unseres Reyches erhalten geblieben ist.

Doch es gab natürlich noch weitere, allerdings weniger bedeutende, Höhepunkte in der Geschichte des Reyches. So richtete es am 20.04. a.U. 42 eine fulminante Feyer zum 10. Stiftungsfest aus. In der Mosihiburg begann abends Glock 8 1 / 2 ein fröhliches Sippen bei Quell und kalter Atzung (beides frei), und auch für den Frühschoppen am nächsten Tag war gesorgt, zu dem ebenfalls Freiquell floß. Hkt. Anatole Schummrich ließ es sich nicht nehmen, in der SZ vom 02.12. a.U. 42 eine gereimte Schilderung dieser schönen Tage veröffentlichen zu lassen.

Ein weiteres Großereignis war die Ursippenfeyer für Hkt. Anatole Schummrich am 11.04. a.U. 49, zu der sich neben Vertretern aller Thüringer Reyche auch Abgesandte der Berolina, Metis, Glauchavia, Haidelberga, Hannovera und Lipsia ein Stelldichein gaben.

Titelblatt des Programmheftes zum Sommerfest
Festgesellschaft mit Burgfrauen auf der Rudelsburg

Drittes Bild: Die Erforda genießt Mutterfreuden

An dieser Stelle kommen komplizierte verwandtschaftliche Verhältnisse zum Tragen: Am Anfang stand die Gotaha, die als Reych Nr. 28 im benachbarten profanen Gotha bestand. Diese genas a.U. 1585 der Vimaria, welche wiederum zur Gründung der Erforda ihren Ritter Mosihi entsandt hatte. Nachdem die Gotaha a.U. 1594 sanft entschlummert war, hielten Tochter und Enkelin in Mittelthüringen das Banner Uhus hoch. Doch zu Beginn der Jahrung 45 initiierten einige Sassen der Kyborgia, die als profane Schauspieler jeweils von Januar bis April am Herzoglichen Theater in Gotha tätig waren, eine „Improvisierte Sippung“ in Gothaer Gemarkungen, die großen Anklang fand. Rasch fand sich ein Häuflein Interessierter ein, die für die Idee brannten, dem Uhu ein neues Nest zu bauen. Hier kam der schon bekannte Rt. Krakeel auf Dreyzen ins Spiel. Er hatte sich bereits in der Sommerung a.U. 34 von der Erforda wieder abgewandt und lebte als
Fahrender in Gotha. An ihm ging, den damaligen Gepflogenheiten entsprechend, kein Weg vorbei, wenn hier ein neues Reych entstehen sollte. Krakeel war, bei allen schlaraffischen Qualitäten, das, was man einen schwierigen Zeitgenossen nennt. Und mit eben diesem mußten sich die präsumtiven Goten auseinandersetzen. Er stand dem Ansinnen zunächst ziemlich reserviert gegenüber und ließ sich erst gegen Ende der Winterung dazu bewegen, zur Gründung einer Colonie die Hand zu reichen.

Am 5. Lethemond a.U. 45 begann die noch recht bunte Schar mit ihren „Improvisierten Sippungen“, und sie machte eine Sache von Anfang an richtig: sie entsandte die Herren Engelmann, Luhmann, Uffrecht, Georges, Müller und Bittner als Novizen zum Mutterreych, auf daß sie dort eine umfassende schlaraffische Bildung genössen. Erforda nahm die sechs Männer auf, und diese wurden am 22.10. zunächst gemeinsam Prüflinge. Am 01.12. erfolgte die Aufnahme als Knappen 40 – 45, und bis zum Lenzmond a.U. 46 traten fünf von ihnen in den Junkerstand. Am 08.03. a.U. 46 zeigte die Allmutter die Gründungsabsicht an, und mit Datum der Gründungsbewilligung der Colonie Gotaha am 08.10. a.U. 46 kehrten sie als Erzschlaraffen nach Gotha zurück. Natürlich hatten sie in der ganzen Winterung auch dort gesippt und sich, genau wie die übrigen Goten, schon am 18.01. ihre zukünftigen Ritternamen ausgesucht, nämlich:

Alfred EngelmannRt. Nor wegen dem Golde
Cornelius LuhmannRt. Atlas mit der Zange
Daniel UffrechtRt. Stillfried der blühende Komponiste
Arthur GeorgesRt. Audax der Viechertröster
Rudolf MüllerRt. Cit von Anthra
Wilhelm BittnerRt. Brausekopf so ist es

Daniel Uffrecht und Wilhelm Bittner waren übrigens schon Sassen der ersten Gotaha gewesen und standen insofern für eine gewisse Kontinuität.Die Erforda nahm ihre Mutterrolle sehr ernst. Im Hornung a.U. 46 gab sie gegenüber der Allmutter die geforderte Stellungnahme zur geplanten Coloniegründung ab. Zur selben Zeit, nämlich am 22.02., celebrierte die Runde in Gotha zum ersten Male einen Bangk auf das Mutterreych, zu dem die folgenden Verse gesprochen wurden:

Erforda mein Stern, Dir weihen wir gern
Zu Preis und Dank, Einen dreifachen Bangk.

Bis zu ihrem Erlöschen hat die Gotaha in fast jeder Sippung einen entsprechenden Bangk ausgebracht, später wurden erst noch die Großmutter Vimaria und dann die Kyborgia in den Spruch mit aufgenommen.

Am 18.10. a.U. 46 durfte endlich die Gründung der Colonie gefeiert werden. Zu diesem Anlaß ritten die Erfordarecken Anatole Schummrich und Postumus ein. Sie durften auf dem Thron Platz nehmen und die Huldigung durch einen Ehrenritt entgegennehmen. Anschließend hielt Hkt. Schummrich eine längere Ansprache an die Colonie.

Anzeige zur Gründung des Tochterreyches Gotaha

Den letzten Schritt zur Vollwertigkeit tat die Colonie mit der Feier der Reychserhebung am 20./21.04. a.U. 48. Bereits am 25.03. hatte die Allmutter die Ausfertigung der Sanctionsbulle verfügt, und dies am 01.04. in der SZ bekannt gemacht. Das Fest war wohl ein voller Erfolg, wozu die Anwesenheit der Praga-Ritter Dynamo und Schmerzenreich ihren Teil beigetragen haben mag.

An diesem Tag war das Kind volljährig geworden und konnte mit der Reychsnummer 155 seine eigene Bahn beschreiten. Es durchlebte ausgeprägte Höhen und Tiefen, bewies in den schwierigen Jahren vor der Uhu-finsternis Standfestigkeit und Durchhaltevermögen, konnte sich nach der Weltfehde aber nicht mehr dauerhaft neu formieren. A.U. 110 ritt als letzter Recke der Gotaha Rt. Bassogampa der A.B.C.-Gote gen Ahall, und damit war die Geschichte der Schlaraffia in Gotha beendet.

Wenige Jahre später lag Erforda wieder im Wochenbett. Die Einzelheiten der Niederkunft sind zwar nicht so gut dokumentiert wie im Falle der Gotaha, dennoch soll die Geschichte natürlich erzählt werden.

Personeller Dreh- und Angelpunkt war Rt. Agricola die braunschweiger Muhme. Als profaner Architekt bzw. Oberlehrer und gebürtiger Braunschweiger Hugo
Feldmann war er nach Erfurt gekommen, wurde in der Erforda am 04.02. a.U. 49 als Knappe 56 immatrikuliert und am 30.03. a.U 50 zum Ritter geschlagen.

Bereits im Herbst der folgenden Jahrung zog es ihn zurück nach Norddeutschland, und zwar nach Hildesheim. Das Feuer Uhus brannte offenbar recht heiß in ihm, denn schon bald sah er sich nach Männern um, die die nötige Tatkraft für den Bau eines Uhunestes mitbringen würden. Diese Suche konnte er binnen weniger Jahre damit abschließen, daß er 28 Profane, darunter zahlreiche Künstler des Stadttheaters, als präsumptive Erzschlaraffen gewann. Neben Rt. Agricola waren noch sechs weitere Fahrende aus den Reychen Kyborgia, Spreaberga, Ravensbergia, Ovilabis, Stutgardia und Hannovera beteiligt. Die regional ausgedehnte Verteilung ihrer jeweiligen Herkunft hängt wohl damit zusammen, daß sie zumeist aus dem Theaterfach stammten und sich infolge ihrer Mobilität zufällig in Hildesheim angesammelt hatten.

Der Erforda fiel nun über ihren fahrenden Rt. Agricola die Ehre zu, als Mutterreych der Colonie aufzutreten. Mit Datum vom 25.01. a.U. 54 machte die Allmutter in der SZ diese Neugründung bekannt und erklärte am 05.04. derselben Jahrung die Sanctionierung der Colonie. Die daraufhin veröffentlichte Stammrolle zeigt, daß zu diesem Zeitpunkt einige der Gründer schon nicht mehr mit dabei waren.

Inmitten der großen Weltfehde, nämlich am 02.10. a.U. 56, verlautbarte die Allmutter, daß sie, nach Ablauf der Einspruchsfrist, nunmehr die Sanktionsbulle der Hildesia ausfertigen werde. Zwei Monde später, am 04.12., fand die feyerliche Sanktionssippung statt. Hkt. Gradaus war von der Allmutter entsandt worden und vollzog den offiziellen Akt. Ihm zur Seite standen die Herrlichkeiten Großfürst Baryton (Brunsviga) sowie Postumus von der Erforda. In der SZ vom 01.01. a.U. 57 erschien ein ausführlicher Bericht des Festes, in dem, zeitbedingt, stellenweise ein sehr deutschnationaler Grundton anklingt.

Das neue Reych erhielt die Nummer 190 und erfreut sich noch heute allerbester Gesundheit sowie zweier wohlgeratener Töchter, und zwar der Reyche Ob der Hamel im profanen Hameln sowie Kaiserpfalz im profanen Goslar.

Die erwähnten Reyche Vimaria, Erforda, Hildesia, Ob der Hamel und Kaiserpfalz bilden heute eine Familie, die ihre Verbundenheit dadurch nach außen trägt, daß sie alljährlich im Frühjahr eine Familiensippung abhält, die von den beteiligten Mitgliedern im Wechsel ausgerichtet wird. Daneben bestehen zwischen den regional benachbarten Reychen (also Erforda – Vimaria bzw. Hildesia – Ob der Hamel – Kaiserpfalz) enge Bindungen, die sich in regelmäßigen gegenseitigen Einritten manifestieren.

An einer weiteren Reychsgründung war a.U. Rt. Thorane der Charakterdarsteller beteiligt. Er tritt uns als Erzschlaraffe der Colonie Brahamontana im profanen Bromberg entgegen, einer Tochtergründung des Reyches Elberfeldensis. Dort bekleidete er für kurze Zeit die Würde des OK, bevor er zur Erforda heimkehrte. Rt, Willekumm der Zehntner wiederum war Erzschlaraffe der Crefeldensis.


Viertes Bild: Unruhige Zeiten und ein vorläufiges Ende

Der Ausbruch der großen Weltfehde im August 1914 sollte tiefgreifende Auswirkungen auf Allschlaraffia haben. War sie vom Herkommen eigentlich ein idealistisch-weltabgewandter Verein gewesen, so konnte sie sich dem nationalistischen Taumel bald nicht mehr entziehen, der Europa schon bald völlig beherrschte und tiefe Gräben zwischen den Völkern furchte. In dieser Zeit wurde der Samen für die spätere Spaltung Allschlaraffias gelegt, die dann zusätzlich von antisemitischer Hetze aus den eigenen Reihen orchestriert wurde.

Die komplizierte Gemengelage der verschiedenen Einflüsse und Kräfte darzustellen, die fortan auf Schlaraffia einwirkten, ist hier nicht der Ort, und deshalb soll der Blick wieder auf das konkret Faßbare gerichtet werden. Das war im Fall der Erforda, daß zahlreiche Sassen zum Frontdienst einberufen wurden. In der Stammrolle 56/57 waren zehn Erforden als im Felde stehend gemeldet, ein Jahr später waren es schon 18 und danach 16. Junker Fritzchen, der im Herbstmond a.U. 56 an der Westfront fiel, sowie Rt. Boccacio (Kriegstod in Galizien) blieben die einzigen Kriegstoten, die das Reych zu beklagen hatte. Andere Reyche traf der Grimm Ohos da ungleich schwerer.

Als die letzten Schlachten geschlagen waren, kehrten die Kriegsteilnehmer in die Mosihi-Burg zurück und trafen dort auf diejenigen, die daheim hatten bleiben können. Unterschiedliche Erfahrungen und Lebenswirklichkeiten dieser beiden Gruppen haben mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Spannungen im Reych geführt, jedoch wird es auch in der Erforda so gewesen sein, daß diese in einer kollektiven Hingabe an deutschnationales Gedankengut aufgehen konnten. Schlaraffia wurde in den Jahren der Nachkriegszeit ein Ort, der zwei Dinge bot: Zum einen eine Art von Weltabgeschiedenheit, die viele Zeitgenossen als wohltuend empfunden haben, zum anderen aber auch eine gewisse Homogenität im bürgerlichen Selbstverständnis, was zumindest streckenweise einen Gleichklang in allgemeinen Fragen des Staatsverständnisses mit sich brachte.

Wie fast überall im Uhuversum erlebte das Reych nun einen stürmischen Zuwachs seiner Mitglieder. A.U. 59 wies die Statistik einen Bestand von 29 Seßhafen und 7 Fahrenden aus, immerhin 8 Personen weniger als ein Jahr zuvor. Sieben Jahre später waren es schon 50 Seßhafte und 6 Fahrende, und in dieser Größenordnung verharrte der Bestand, um allerdings im Zuge der Weltwirtschaftskrise und ihrer Folgezeit wieder zu schrumpfen: A.U. 70 zählte man 49 Seßhafte und 2 Fahrende, konnte diese Zahlen zu A.U. 74 aber wieder leicht erhöhen.

Nun sind die statistischen Angaben das eine, die Wirklichkeit dahinter aber etwas anderes. Wenn man die Verhältnisse in anderen Reychen auf unsere Erforda überträgt, so wird auch hier der Schatzmeister häufiger die Stirn in sorgenvolle Falten gelegt haben. Hatte die Hyperinflation bereits den Reychschatz pulverisiert, so dürfte es jetzt etliche Sassen gegeben haben, die ihren Schoß nur mit Mühe aufbringen konnten oder gar nicht. Umstände dieser Art führten uhuversal dazu, daß um a.U. 71 die Anzahl der Feierlichkeiten vermindert wurde. Wenn sie nicht zu umgehen waren, dann sparte man zumindest an der Ausstattung. Außerdem wurde die Verleihung von Orden reduziert und teilweise nur noch dann vorgenommen, wenn Exemplare von Ahallarecken wieder zurück in den Bestand kamen.

Anzeige zur 1. Kombinierten Sippung der Thüringer Reyche a.U. 1598
Abzeichen zur Kombinierten Sippung a.U. 63

Trotzdem hielt das Reych im Vereine mit den anderen Thüringer Reychen an einigen guten Traditionen eisern fest, und zu diesen gehörten die Kombinierten Sippungen. Der Erforda war es zugefallen, die erste ihrer Art auszurichten, und sie fand am 12.03. a.U. 1598 statt.

Über Durchführung und Teilnehmer der Festsippung ist leider nichts überliefert, aber man darf davon ausgehen, daß sie ein voller Erfolg war, denn dadurch wurde eine lange Tradition begründet: Im unregelmäßigen Wechsel traf man sich ab jetzt in den verschiedenen Thüringer Reychen, zu denen man a.U. 61 und 69 kurzerhand das Reych Hala eingemeindete. Häufig wurden die Kombinierten Sippungen mit wichtigen Jahrestagen verbunden, wie z.B. Stiftungsfesten. Die Erforda richtete die Kombinierte Sippung noch a.U. 45 aus, dann a.U. 49 in Verbindung mit der Ursippenfeyer der Hkt. Anatole Schummrich, und noch einmal a.U. 63. Die schöne Tradition brach mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten ab.

Dies hing wohl vor allem mit den schwierigen finanziellen Verhältnissen zusammen, zum anderen aber vielleicht auch damit, daß sich die deutschen Reyche ab diesem Zeitpunkt ein wenig wegduckten und öffentliche Auftritte bzw. große Veranstaltungen eher vermieden. Aber a.U. 77 hatte sich in der Erforda wieder die Bereitschaft entwickelt, erneut zu einer Kombinierten Sippung einzuladen. Am Ende scheiterte dieses Unterfangen leider, und so fand diese Tradition leider ein stilles Ende.

Ein besonders schöner Festtag kam mit der Feyer der 1.000 Sippung am 06.04. a.U. 70. An diesem Tag wurde zugleich das 75. Wiegenfest des hochverehrten Anatole Schummrich gefeiert. Dieser Anlaß war es der Erforda wert, ein eigenes schönes Abzeichen zu kreieren und an die Teilnehmer auszugeben.

Abzeichen und Kantzlereintrag zur 1.000. Sippung am 06.04. a.U. 70

Die neuen politischen Verhältnisse in Deutschland wirkten tief in das schlaraffische Leben auch der Erforda ein. Die NSDAP hatte schon seit den 20 er Jahren der Schlaraffia gegenüber eine eher reservierte Haltung eingenommen, und mit der Vollendung ihres Machtanspruches standen ihr nun die Mittel zu Gebote, um den Spielraum unseres Bundes empfindlich einzuschränken. Als hauptsächliche Gründe wurden genannt die angebliche „Verjudung“, insbesondere der Allmutter, und die unterstellte Nähe zu Freimaurern und Geheimbünden. Daß ab 1933 ein anderer Wind wehte, wude sehr schnell spürbar. Am 23.04. a.U. 74 fand in der Pleißenburg der Lipsia ein „Konzil“ der deutschen Reyche statt, bei dem diese sich mehr oder weniger freiwillig selbst gleichschalteten, vielleicht in der Hoffnung, dadurch aus dem Blickfeld der neuen Machthaber zu geraten. Man beschloß, sich von der Allschlaraffia zu lösen und einen eigenen Verband zu gründen, den späteren Bund Deutsche Schlaraffia (BDS). Zum zweitensollten die Reyche ab sofort qua Satzung die arische Reinheit ihrer Mitglieder sicherstellen, außerdem hatten sie bis zum Herbstmond Bericht über die „von der Regierung gewünschte Gleichschaltung“ zu erstatten.

Die Erforda handelte so, wie es fast alle Reyche taten: Am 28.04. a.U. 74 wurde dem Hausgesetz ein „Arierparagraph“ hinzugefügt und diese Satzungsänderung dem Vereinsgericht mitgeteilt.

Hatte man geglaubt, daß der BDS nun seinen sicheren Platz gefunden habe, so folgte rasch die Ernüchterung, denn im September 1933 verkündete die NSADP letztgültig ein Verbot der Doppelmitgliedschaft in Schlaraffia und Partei. Damit wurde es wirklich prekär: Nicht nur, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse die Schlaraffen bedrängten, nun mußten zunächst Juden den Bund verlassen und danach Parteigenossen. Die Mitgliederbasis erodierte merklich, und in der Erforda war es nicht anders. Die Datenlage ist leider auch hier nicht vollständig, jedoch kann man von 26 Austritten in den Jahren 1933/34 sprechen. Zum Zeitpunkt der Auflösung sind noch ca. 25 Sassen sicher nachgewiesen.

Mit Datum vom 27.01.1937 stürzte der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei den Altar Uhus um, indem er in einem Schreiben an den BDS die sofortige Auflösung der Schlaraffia verlangte. Die Erforda verlebte ihren letzten Uhuabend am 19.02. (wenn man den Begriff „Schlußsippung“ in diesem Sinne verstehen will, den der Kantzler Lauterich an diesem Abend in den Paß des Gastrecken Harold eintrug).

Es folgte am 21.02. ein außerordentliches „Konzil“ zu Lipsia, bei dem am Vormittag der Verband aufgelöst und ein Liquidator bestellt wurde. Am Nachmittag fand eine letzte Sippung statt. Die zu diesem Ereignis vorgetragenen Fechsungen wurden veröffentlicht, und unter ihnen befindet sich eine, die der Erforda-Ritter Kilo der phantastische Meterdichter vortrug, und die so recht dazu angetan ist, die Wehmut auszudrücken, die alle, die am Ende eines langen und doch vergeblichen Kampfes standen, beseelt haben mag:

Auch mir flog, wie dem Vater, zu
in frühen Tagen, einst, UHU.
Er flog voran und zeigt die Weise,
die schöne Art in diesem Kreise
und macht, daß unsere alten Kämpen
jung blieben bei den hölzern Plempen.

UHU: Einmalig Wappentier:
Unendlich sind wir dankbar Dir!
Du hast dem Geist den scharfen Schliff,
der Hand den festen Freundschaftsgriff,
dem Herzen warmes Miterleben,
dem Manne Frohsinn einst gegeben.

Heut soll ich scheiden? Ich und Du?
Von Dir, dem Geber? Dir? UHU?
Nein, Freunde, ich vermag es nicht!
Ich bleib Dir treu. Dies ist mir Pflicht.
Zu viel hat mir in meinem Leben
Schlaraffia Freud und Leid gegeben!

Und muß ich äußerlich verzichten,
will ich im Innern Dienst verrichten.
Hier drinnen steht bis hin zum Grabe
Verzeichnet UHUs Gunst und Gabe.
Hier wohnt er drin, bei mir, bei Dir:
Hier drinnen bleiben Freunde wir!
Und schließen wir die Burgen zu:
Kommt in den Herzen mit: UHU!

Kilo der phantastische Meterdichter
Gruppenbild der Erforda-Sassen a.U. 68/69 (4. von links ist Rt. Anatole Schummrich)

Fünftes Bild: Ein Neubeginn in Ruinen

Offiziell hatte das Reych Erforda aufgehört zu existieren. Doch der freundschaftliche Geist, der die Übriggebliebenen verbunden hatte, wirkte fort und ließt es nicht zu, daß der Kreis sich vollkommen auflöste. Man behalf sich so, wie es in vielen Reychen gehalten wurde: die Treffen wurden fortgesetzt, allerdings nicht mehr als Sippungen, sondern als Kegelabende getarnt. Diese fanden jeweils am Freitag statt und versammelten, zumindest bis in die ersten Kriegsjahre hinein, einen durchaus ansehnlichen Teil der ehemaligen Sassenschaft. Die Kegelkasse diente u.a. der Abhaltung von Uhubaumfesten in der „Flora“, an denen auch die Burgfrauen teilnahmen. Als sich die Fliegeralarme häuften und das gesellige Leben allgemein starken Beschränkungen unterworfen war, verblieben noch die Stammtische, und an diesen wurde immer wieder das Band erneuert, welches die Erforden zusammenhielt und nach dem Krieg dazu führte, daß bereits wenige Monde nach dessen Ende die regelmäßigen Stammtischtreffen wieder aufgenommen werden konnten, denen sich im Wonnemond a.U. 87 die erste Sippung anschloß.

Es war dies genau am 11.05., und der Ort war, verglichen mit dem, was man bisher so kannte, ungewöhnlich, jedoch voller Programmatik im Hinblick auf die nun folgenden Jahrzehnte: Es handelte sich um die Privatwohnung des Pilgers Sommer, der später als Rt. Zangerl seine schlaraffische Inkarnation erfuhr. War es an und für sich schon erfreulich, daß es in dieser Zeit überhaupt gelungen war, schlaraffischen Nachwuchs zu gewinnen, so trat nun ein besonderer Glücksfall helfend hinzu. Denn nicht weniger als neun Sassen anderer Reyche, v.a. aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, landeten an den Gestaden des Reyches und blieben zumindest für einige Jahrungen und halfen so, dem schlaraffischen Leben wieder neuen Schwung zu geben. Die meisten von ihnen zogen später zwar weiter westwärts oder mußten bald ihren Ritt gen Ahall antreten, aber für den Neuanfang bildeten sie eine unschätzbare Hilfe.

Zunächst fand eine Serie von zehn Sippungen statt, die nach dem 15.11. a.U. 88 unterbrochen wurde, weil wirtschaftliche Not und zeitbedingte Unsicherheiten einem gedeihlichen Wiederaufbau des Reyches noch entgegenstanden. Die Stammtische, die es auch zuvor parallel gegeben hatte, wurden allerdings fortgeführt.

Ein reguläres Sippungsgeschehen entfaltete sich erst wieder ab der Winterung a.U. 91/92. Den begrenzten Möglichkeiten entsprechend, begann die Erforda mit nur sechs Sippungen, deren letzte am 28.04. a.U. 92 stattfand, in den nächsten Jahren verdichtete sich deren Folge auf zunächst zehn, dann zwölf, um alsdann in einen zweiwöchentlichen Rhythmus münden.

Rt. Zangerl
Rt. Fridericus ex

Der Erforda gelang es also, das schlaraffische Leben wieder zu stabilisieren. Damit konnte sie sich positiv von den weitaus meisten der ehemaligen Reyche im Bereich der DDR absetzen, die zwar ebenfalls Neuanfänge nach der Uhufinsternis wagten, jedoch nach kurzer Zeit endgültig eingingen, weil zum einen ehemalige Sassen nicht mehr lebten oder die Rückkehr nicht mehr fanden, und weil zum anderen die allgemeine Wanderbewegung in die neugegründete BRD zur personellen Austrocknung führte.

In Thüringen überlebten ansonsten lediglich die Reyche Vimaria, Geraha, Ysenaha, Molhusia sowie Nordhusia, die allerdings bis auf die beiden Erstgenannten spätestens in der 60er Jahren friedlich entschliefen. Das Dreigestirn blühte im Verborgenen, wie es so schön hieß, und in den Stammrollen wurden seine Glieder als „derzeit nicht bestehend“ geführt.

Wie so oft im Leben waren es nicht zuletzt Einzelpersonen, die die notwendige Energie und Zugkraft einsetzten, um den schlaraffischen Geist lebendig zu erhalten. Als solche müssen genannt werden die Rtt. Dolf der Krakoelerbub, Theoderich der Weltenbummler und Fridericus ex der Pfeifenkönig. Dieser bekam den ehrenden Beinamen „Vater der Erforda“, und das mag rein äußerlich zwei Gründe gehabt haben: Zum einen konnte er seine drei Söhne für Schlaraffia begeistern, von denen noch heute zwei in unserer Reihe stehen, zum anderen stellte er über Jahre seine profane Orgelbauwerkstatt als Burg zur Verfügung. Rt. Theoderich wiederum brachte seinen Sohn zu unserem Bund, und dieser nimmt bis heute hochgeachtet als Rt. Musiking der vers-offene Gotensproß seinen
Seßhaften in der Burg sowie einen festen Platz im Herzen nicht nur der Erforden ein. Alle diese, und natürlich auch andere, prägten die Erforda auch dadurch, daß sie sich in langer Folge von Jahrungen durch die Übernahme von Ämbtern und Würden um das Funktionieren und Gedeihen des Reyches verdient gemacht haben.

Aber es gab auch Mitwirkung von außen, und zwar zunächst durch ständig zahlreicher werdende Einritte ab etwa a.U. 110. Hatte sich der Kreis der Gastrecken in den ersten Jahren zunächst vorwiegend auf Sassen ehemaliger oder bestehender Thüringer Reyche beschränkt, so erweiterte er sich danach immer stärker auf Freunde aus westlichen Gemarkungen. Ein großes Verdienst kommt dabei Sassen der Berolina zu sowie konkret dem Rt. Jur-Ass der Norimberga. Dieser fand seine Berufung darin, in bundesdeutschen Reychen das Bewußtsein dafür zu wecken, daß es jenseits des „Eisernen Vorhangs“ Reyche gab, die, wenngleich bescheiden an Mitgliedern, treu und mit Leidenschaft das Banner Uhus hochhielten. So kam es denn, daß die Sippungen immer wieder zu einem Stelldichein zahlreicher Gastrecken wurden und unserem Reych damit eine gewisse Strahlkraft zuwuchs.

Das wurde z.B. deutlich, als die Erforda am 26.02. a.U. 118 zur Gedenksippung aus Anlaß des 100. Gründungsjubiläums der Nordhusia rief. 12 Erforden und 32 Gastrecken aus den Reychen, Haidelberga, Lubeca, Porta Hercynia, An der Weinstraße und Lipsia celebrierten in Anwesenheit des Nordhusia-Recken Rt. Kleberich eine glanzvolle Sippung, die allen Beteiligten sicher lange in angenehmer Erinnerung geblieben ist. Noch eine deutliche Steigerung gab es am 22.11. a.U. 127, als die Erforda die 100 Jahr-Feyer des Mutterreyches Vimaria ausrichtete. Die Vimaria stand zu diesem Zeitpunkt kurz vorm Erlöschen, denn dort war es leider nicht gelungen, den Sassenstand zu stabilisieren. So kam es, daß nur vier Vimaren mit 13 Erforden und 70 Sassen auswärtiger Reyche diesen Gedenktag feierten, der als Großereignis in die Chronik unseres Reyches einging.

Wenn man die Zeit von a.U. 86 bis 131 einordnen will, so kann man ohne große Verrenkungen zu der Auffassung gelangen, daß hier ein Schlaraffentum gepflegt wurde, das seine Kraft nur selten aus der Vordergründigkeit eines prunkvollen Rahmes schöpfte. Vielmehr speiste sich es sich aus einem ursprünglichen Geist, der aus dem Inneren der Personen hervor strahlte und, zumindest scheint es so, der ursprünglichen Idee Schlaraffias sehr nahe war in seiner Entkleidung übertriebener Äußerlichkeiten, wie sie sich heutzutage zunehmend ausbreiten. Es zählte die Idee des Spiels unddessen Umsetzung, das Äußere blieb zwangsläufig zweitrangig. Damit scheint hier Schlaraffia im besten Sinne gelebt worden zu sein.

Vielleicht ergibt sich aus der Kraft dieser Erfahrung und Erinnerung ein kollektives Erbe im Bewußtsein des Reyches, das es nach außen mitunter etwas fremdelnd oder mitunter verschroben wirken läßt. Jedenfalls ist diese Epoche außerordentlich wichtig und es wert, im Gedächtnis bewahrt und in Erzählungen an die nächsten Generationen weitergegeben zu werden.

Impressionen aus Heimburgsippungen: Knappenaufnah-
me und Uhubaumfeyer mit Burgfrauen (beides a.U. 97)

Sechstes Bild: Erforda wird ein normales Reych

Mit dem profanen Mauerfall und der nachfolgenden Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten mußte sich unser Reych aus seiner Sonderrolle herausbewegen. Waren ihre Sassen bei Ausritten im Westen oder von Einreitenden noch mitunter als Exoten angestaunt worden, so fanden sie sich immer mehr in der Rolle „normaler“ Schlaraffen wieder. In gleichem Maße verloren die Sippungen für Auswärtige den Reiz des Besonderen, und im Reych kehrte schlaraffischer Alltag ein.

Der damit einhergehende mentale Umbruch wirkt in gewisser Weise bis heute nach. Das Reych hat sich eine Sonderstellung insofern bewahrt, als es bestrebt ist, sich einem uhuversalen Trend zu verweigern, der immer stärker auf eine vordergründige Harmonie und eine gewisse Behäbigkeit setzt und sich vom ursprünglichen schlaraffischen Erbe insofern entfernt, als die Bereitschaft zum spielerischen Risiko abnimmt. Das verbindet sich bei uns vielleicht mit einer gewissen Sprödigkeit, die sich unter der rauhen Oberfläche allerdings durchaus mit großer Herzlichkeit paart.

Ein herausragendes Ereignis war die Feier des 100. Stiftungsfestes, das am 27.04. a.U. 132 in der altvertrauen „Flora“ celebriert wurde, und zu dem zahlreiche Gastrecken aus allen Teilen des Uhuversums erschienen.

Als Nachhall „alter Zeiten“ beging das Reych viele Jahre hindurch die Freundschaftssippung der ehemaligen Ostreyche, zu der immer wieder Freunde aus der Zeit vor der Wiedervereinigung erschienen, wie der schon erwähnte Rt. Jur-Ass. Ein fester Bestandteil war neben der lang ersehnten Bratwurst-Atzung das Turney um die Meinungia-Kette. Diese war selbigem Reyche dereinst vom Herzog Georg von Sachsen-Eisenach gestiftet worden und a.U. 108 durch Rt. Nomen-Omen (6) ins Reych gekommen, der bei ihrer Überreichung dekretierte, sie solle in den Ostreychen ausgefochten werden. So geschah es, allerdings erst vier Jahrungen später, nämlich zum 80. Stiftungsfest der Erforda. Das Turney wurde jeweils im Brachmond abgehalten und zog stetig mehr Sassen aus westlichen Gemarkungen an. Als im profanen Meiningen ein neues Uhunest entstanden war, kehrte die Kette an ihren Ursprungsort zurück.

Eine schöne Tradition etablierte sich vor einigen Jahrungen, als die Reyche Vimaria, Erforda, Hildesia, Ob der Hamel und Kaiserpfalz ihre Familiensippungen etablierten, die in diesen Reychen jährlich reihum stattfinden. Viele Freunde dieser und anderer Reyche nutzen gerne die Gelegenheit, alte Freundschaften wieder aufzufrischen, und die regelmäßige Teilnahme wird mit einem prächtigen Orden belohnt.

Eine weitere Invention betrifft den Titul „Ritter vom grünen Herzen“, den die Rtt. Don Mara und Peterle als Ritterarbeit aus der Taufe hoben.


Siebentes Bild: Wo die Erforden gehaust haben

Der Erforda erging es wie den meisten Reychen des Uhuversums: Umzüge fanden immer wieder statt, z.B. wenn die Burg in einem profanen Gasthaus errichtet war, und der Hospes seine Räumlichkeiten entweder anderweitig benötigte oder die Miete so weit anhob, daß der Reychsschatz überfordert war. Neben den eigentlichen Stammburgen nutzte das Reych aber natürlich immer wieder andere Lokalitäten, wenn eine Festsippung einen größeren Andrang erwarten ließ und mehr Platz benötigt wurde.

Die Colonie Erfordia kannte nur ein Domizil, nämlich den sog. Kaisertunnel. Das war ein Gewölbekeller, der zum Kaisersaal und seiner Restauration gehörte. Der Hospes war praktischerweise auch Sasse der Colonie, hieß profan C. Niemand und trug den Junkernamen Udeis. Nachdem die Colonie eingegangen war, sollten hier regelmäßige Stammtische für durchreisende Schlaraffen stattfinden, aber ob es
tatsächlich dazu kam und wie lange, ist nicht überliefert.

Die Erforda wollte vieles besser und anders machen, aber am Kaisertunnel hielt sie fest. Jedoch war der Aufenthalt nicht von langer Dauer, denn bereits im Lenzmond a.U. 1593 zeigte das neugegründete Reych seinen Umzug in das Theatergarten-Restaurant am Dalbergsweg an. Doch auch hier war des Bleibens nicht lange: Zu Beginn der folgenden Winterung bezog man die neue Burg „Zum Schlehendorn“ im Hotel Rheinischer Hof in der Regierungsstraße.

Vier Jahre später stand schon wieder ein Umzug an. Die Burg „Zum Schlehendorn“ wurde zum Beginn der Winterung a.U. 1597/98 im Hotel Europäischer Hof in der Meister-Eckhard-Straße neu errichtet, um alsbald ihren Namen zu wechseln. Fortan hieß sie „Mosihi-Burg“, eine Reverenz an den allseits verehrten und hochverdienten Erzschlaraffen des jungen Reyches. Diesen Namen behielt das Reych bis zu seiner Auflösung bei, aber das war in diesem Zusammenhang auch leider die einzige Konstante. Denn auch im Europäischen Hof war des Verweilens nicht lange: Die Winterung a.U. 49/50 sah die Freunde in ihrer neuen Burg im Gartensaal der Karthause (Karthäuser Straße 13). Dieser Saal hatte allerdings einen entscheidenden Nachteil: er war kaum zu heizen. Und weil allen Beteiligten der Spaß an den sog. „Nordpol-Sippungen“ irgendwann vergangen war, wurde „Lapplandia“ schon bald wieder verlassen, und man mietete sich ab dem Lethemond a.U. 50 im Gasthaus zur Stadt Coburg in der Löberstraße ein. Diese Burg war (ausweislich des Zeugnisses von Rt. Naturalist in der Chronica Allschlaraffiae) eine der schönsten in Thüringen und zugleich eine der behaglichsten im gesamten Uhuversum.

Die Burg in der Löberstraße a.U. 52

Leider war die Zeit in dieser stolzen Burg schon nach sieben Jahren wieder vorbei. Mitten im Kriege begann die Erforda ein sehr unstetes Wanderdasein. So verlegte sie zunächst ab dem Brachmond a.U. 58 die Krystallinen und später auch die (kriegsbedingt nur einmal monatlich stattfindenden) Sippungen in die Ressource in der Lilienstraße. Ab dem Christmond a.U. 59 wurden Sippungen nur noch sporadisch abgehalten, und die Sassen kamen nunmehr freitags im Kaffeehaus Hohenzollern am Kaiserplatz (heute Karl-Marx-Platz) zusammen. Ein knappes Jahr später, im Windmond a.U. 60, zeigte das Reych an, hinfort wieder regelmäßig zu sippen, und zwar im Hotel Thüringer Hof am Wilhelmsplatz (heute Domplatz).

Wieder ein Jahr später zog man erneut um und bezog mit der Sippung vom 15.10. a.U. 61 eine neue Bleibe im Comthurhof in der Comthurgasse. Damit war die Zeit der „Ersatz-Burgen“, wie sie in der Stammrolle genannt wurden, zumindest für einige Jahre vorbei. Die Burg schien jedoch nur ein begrenztes Platzangebot zu haben, denn z.B. der Ritterschlag am 07.03. a.U. 66 fand mal wieder in der altvertrauten „Ressource“ statt. Damit allerdings ging die unruhige Zeit nun endlich ihrem Ende entgegen: Mit einer Prunksippung feierte das Reych die Weihe seiner neuen Burg im bzw. am Barockschlößchen des Gildehauses am Fischmarkt. Diese war zugleich die 901. des Reyches und stieg am 14.11. a.U. 66. Da die Erforda in ihrer Ladung an das Uhuversum wieder zu dem üblichen Trick gegriffen und Freiquell in Aussicht gestellt hatte, dürfte der Andrang enorm gewesen sein.

Die Burg am Fischmarkt a.U. 73

Fast 12 Jahrungen durften sich die Erforden an dieser Heimstätte freuen. Doch war sie auch Zeuge der letzten Sippung vor der Uhufinsternis am 19.02. a.U. 78. Danach verhallten die frohen Lieder, das Spiel war erstorben, und ihre Pforten schlossen sich zum letzten Male hinter den ins Profane wankenden Sassen. Alles, was dieser Burg zur Zierde gereicht hatte, ist verschollen. Lediglich einige Blitzographien sind überliefert und geben noch heute eine Vorstellung von der Heimat, in der Erforda glaubte, endlich angekommen zu sein, nur um dann feststellen zu müssen, daß ebendies nicht geduldet wurde.

Während der Uhufinsternis pflegte die Erforda bzw. das, was von ihr noch übrig geblieben war, ihre Geselligkeit bei Kegelabenden, die jeden Freitag in der „Flora“ stattfanden. Dort veranstalteten die Freunde auch Uhubaumfeyern mit den Burgfrauen, sodaß das Band der Brüderlichkeit stark bleiben konnte. Als der Luftkrieg gesellige Aktivitäten allgemein einschränkte, sattelte man um auf einen normalen Stammtisch, der zunächst im Münchner Bürgerbräu und zuletzt im Kaffeetrichter zusammenkam.

Nach einer Unterbrechung zum Kriegsende setzte man die wöchentlichen Stammtische ab August 1945 fort, und mit dem 11.05. a.U. 87 war der Tag gekommen, an dem die erste reguläre Sippung nach der Uhufinsternis wieder stattfinden konnte. Hier sprang der Pilger Sommer hilfreich in die Bresche, der seine profane Wohnung in der Brühlerwallstraße zur Verfügung stellte. Atzung und Labung kredenzten die Burgfrauen bzw. Burgfrau Sommer. So geschah es bis einschließlich der 10. Sippung, nur einmal, zur 8. Sippung, traf man sich in der Heimburg des Rt. Tam-Tamino.

Nach der oben bereits erwähnten Pause nahm das Reych die Sippungen erst wieder in der Winterung a.U. 91/92 auf. Der Pilger Sommer war inzwischen zum Rt. Zangerl gereift, doch seine neue Wohnung und Arztpraxis am Anger bot dem Reych weiterhin freundliches Asyl. Dies ging bis etwa a.U. 109, doch dann mochte man dem inzwischen schon etwas älteren Herrn den regelmäßigen Auf- und Abbau der Burg nicht länger zumuten. Auch Rt. Fridericus hatte zur Burgfrage seinen Teil beigetragen, indem er für größere Anlässe wie z.B. Ritterschläge, seine Werkstatt als „Pfeifenburg“ zur Verfügung stellte. Doch auch dieser Unterschlupf mußte aus profanen Gründen a.U. 109 aufgegeben werden.

So wechselten sich die Sassen ab jetzt darin ab, ihre jeweiligen Heimburgen für die Uhuabende zu öffnen. Dran war zumeist derjenige, der in zeitlicher Nähe zum Sippungstermin sein Wiegenfest feierte. Rt. Musiking beschreibt die Sippungen in dieser Zeit als sehr intim, und das geschilderte Ambiente ist so weit von dem entfernt, was wir heute kennen, daß man es sich als Nichtbeteiligter kaum vorstellen kann. Kein Pomp, keine aufwendige Ausstattung, dafür Rittertafel am Couchtisch und ein Topfdeckel als Tamtam.

Glücklicherweise fügte es Uhus Gunst, daß die Pfeifenburg nach drei Jahrungen doch wieder bezogen werden konnte, und so konnte das Reych hier am 17.04. a.U. 112 sein 80. Stiftungsfest feiern, das mit dem ersten Austrag der Meinungia-Kette verbunden war. Später wurde die Last wieder auf mehrere Schultern verteilt: Gesippt wurde in den Heimburgen der Rtt. Plombo, Don Kamillo, Dolf, Schnattermann und Fridericus ex. Für größere Veranstaltungen konnte das Reych dank der guten Kontakte des Letzteren auf den Gemeindesaal der Reglergemeinde zurückgreifen.

Ab der Winterung a.U. 118/119 stellte Rt. Fridericus einen kleineren Werkstattraum als feste Heimstatt des Reyches zur Verfügung. Dieser hatte eine Grundfläche von lediglich etwa 20 qm, erwies sich aber aller Beschränktheit zum Trotz für immerhin sieben Jahre als ausreichend. Als das Gebäude dann aber angebrochen wurde, war die Geschichte der Pfeifenburg am 11.05. a.U. 125 für immer vorbei, und es stand wieder ein Umzug an. Zunächst behalf sich das Reych wieder mit den Heimburg-Sippungen, doch bereits am 04.01. a.U. 126 wurde mit dem Posaunenheim der ev. Kirche in der Gerberstraße ein neues dauerhaftes Domizil gewonnen. Hier konnten sowohl ein kleinerer Raum, der große Saal oder als Ausweichquartier die Kegelbahn im Untergeschoß genutzt werden.

Am Ende der Winterung 133/134 mußte das Posaunenheim aufgrund von Differenzen mit einer neuen Hausleitung aufgegeben werden. Es folgte eine Winterung im Offiziersheim am Steigerrand, doch gleichzeitig liefen schon die Vorbereitungen für den Umzug in die heutigen Räumlichkeiten der „Radherren-Burg“ in der Bahnhofstraße. Bezogen wurde sie am 06.10. a.U. 135, und am 22.10. folgte die feyerliche Burgweihe. Inzwischen dient diese Burg den Erforden nun schon seit 21 Jahren als Unterschlupf und nimmt damit den ersten Platz ein, was die Nutzungsdauer angeht.


Achtes Bild: Große Söhne des Reyches

Unser Patriarch Rt. Musiking stellte in seiner Festschrift zum 100. Stiftungsfest sehr zutreffend fest, daß ein Reych in Schlaraffia zwar von der Masse getragen wird, daß es aber gleichwohl wenige Einzelpersonen sind, „die ihm nach außen zu Ansehen verhelfen und es nach innen festigen“. Insofern muß die Anerkennung desjenigen, der in Dankbarkeit derer gedenkt, die das schlaraffische Erbe über 125 Jahre treu bewahrt und entwickelt haben, auch den vielen gelten, deren Namen heute vergessen sind: Alex der andere Große, Arwed der bleiche Häuptling, Caro Ruso, Geßler der Massenschinder, Pauxanias Kalaureatus, Svengali der Augenblick, um nur einige zu nennen. Doch magisch wird seine Aufmerksamkeit von wirklich prägenden Gestalten angezogen, den oben charakterisierten Einzelpersonen. In ihrer Reihe stehen die Ritter Krakeel auf Dreyzen, Mosihi der Unbefangene, Anatole Schummrich, Postumus der Seßhafte, Ochen der Ärforder Mittelweg, Zangerl der Zahnzieh-Barbare, Dolf der Krakoelerbub, Friedericus ex der Pfeifenkönig und in neuerer Zeit unser Patriarch Musiking der vers-offene Gotensproß.

Ebensowenig, wie diese Festschrift den Anspruch erheben will, eine Chronik des Reyches zu sein, kann hier der Ort sein, die Biographien all dieser Lichtgestalten zu erzählen. Beschränkung tut not, und so sollen nun, stellvertretend für alle anderen, biographische Skizzen der Rtt. Krakeel, Anatole Schummrich und Friedericus ex folgen.

Postkarte des Reyches

Ritter Krakeel auf Dreyzen (oder auch Dreyzehn)

Krakeel nimmt in der Geschichte der Erforda nicht unbedingt die Position des größten Aktivisten ein, aber zum einen tritt er uns schon bei der Gründung der Colonie Erfordia entgegen und später als Erzschlaraffe unseres Reyches, so daß er in der Anfangszeit vielfältig präsent war. Zum anderen war er damals in Thüringen das, was man einen Hansdampf in allen Gassen nennen würde. Neben seinem inneren Wirken war er Rechnungsprüfer des Allschlaraffischen Matrikularfonds, Konzils-Delegierter und Träger von außerordentlich vielen Orden aus dem ganzen Uhuversum. Außerdem sammelte er Ehrenhelme der Reyche Kyborgia, Vimaria, Erforda, Chasalla und Ysenaha auf seinem Haupt.

Als profaner Otto Schaaff wurde er am 12.11.1856 in Zehdenick geboren und kam als junger Mann in das Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha, wo seine juristische Laufbahn ihren Anfang nahm, die ihn im Laufe der Zeit vom Referendarius über den Amtsrichter bis hin zum Amtsgerichtsrat tragen sollte.

Als in Gotha im Hornung a.U. 1581 mit der Kyborgia-Gotaha ein neues Uhunest aus der Taufe gehoben
wurde, stand bereits wenig später Herr Schaaff auf der Matte und wurde schon am 05. des Lenzmondes von
Graf Gleichen zum Prüfling ernannt. Etwa einen Monat später nahm ihn das Reych als Knappen 13 auf. Diese Zahl, die ja im Aberglauben eine gewisse Rolle spielt und mit Unglück oder Pech
assoziiert ist, war für den Knappen
Programm. Er erwarb sich schnell den Ruf eines enfant terrible, störte die Sippungen, glänzte mit unbotmäßigen
Bemerkungen und ging keiner Auseinandersetzung aus dem
Weg.

Als er am 11.02. a.U. 1582 zum Junker erhoben wurde, nahm er statt seines profanen Vornamens die Knappennummer an und wurde zum Junker XIII. Die Trennung der beiden Reychshälften beschleunigte seine Laufbahn sehr, und bereits am 01.04 schlug ihn Graf Gleichen zum Ritter Krakeel von Lobenstein auf Dreyzen (welchen Namen er a.U. 1584 dann verkürzen ließ).

Krakeel empfing zusammen mit einigen anderen Goten die ersten Ehrenhelme der Zwillingsschwester Kyborgia und begann die neue Winterung als Kantzler des Reyches. Bereits ein Jahr später meldete er sich fahrend gen Zella St. Blasii, erschien jedoch weiter zu den Sippungen. In der Winterung a.U. 1589/90 kam er als Nachfolger des verstorbenen Ritters Säugling vom Ecksteyn auf den Thron, wo er blieb, bis er sich gen Erfurt aufmachte, um dort als Erzschlaraffe bei der Gründung der Erforda mitzuwirken. Bereits a.U. 1584 war er schon eingesprungen, als die Mutter Nordhusia die Tochtercolonie Erfordia im Stich gelassen und es versäumt hatte, diese bei der Allmutter anzumelden.

Nun aber trat er selbstbewußt als Gründungsritter auf und übernahm im Ergebnis der ersten Wahl am 07.10. a.U. 1591 die Würde des OÄ, allerdings nur für eine Jahrung. Schon in der Sommerung a.U. 1593 meldete er sich erneut fahrend, diesmal wieder zurück gen Gotha. Dem dortigen Reych war er als Fahrender übrigens die ganze Zeit hindurch verbunden gewesen, doch erlosch es bekanntermaßen wenige Jahrungen später. Krakeel zog karrierebedingt quer durch das Herzogtum, ließ sich aber a.U. 45 in Gotha dauerhaft nieder.

Wenig später klopften die präsumtiven Gründer eines neuen Reyches in Gotha an seine Tür, denn ohne ihn war, damaligen Gepflogenheiten gemäß, der Bau eines Uhunestes an seinem Wohnort nicht machbar. Krakeel zierte sich längere Zeit, ließ sich am Schluß, nachdem er bestimmte Bedingungen gestellt hatte, aber endlich breitschlagen und trat als Erzschlaraffe bei der Gründung von Jung-Gotaha auf. Speziell im Zusammenhang mit der Gründungsfeyer erlaubte er sich eine hier nicht näher zu beleuchtende äußerst skurille Handlung, und da er seine
Selbsherrlichkeit ungehemmt auslebte, erhoben sich schon nach wenigen Jahrungen Stimmen, die forderten, ihn in seinen Funktionen als OI und K zurückzustutzen. Die angezettelte Revolte brach jedoch schnell zusammen, Krakeel blieb in seinen Würden, aber der Preis war hoch, denn es folgte jahrelanger Unfrieden, und es hagelte Austritte. Der Konflikt schwelte weiter und mündete im Christmond a.U. 56 in dem Ausschluß Krakeels. Das wiederum wollte der nicht ohne weiteres hinnehmen und wandte sich an das Allschlaraffische Schiedsgericht. Dessen Spruch erging im Lethemond a.U. 60 und gab ihm als Kläger recht. Die Situation wurde in der Weise bereinigt, daß Krakeel Schlaraffe blieb, jedoch versprach, die Burg der Gotaha nicht wieder zu betreten.

Krakeel war ein ausgeprägter Sturkopf, und er hielt dieses Versprechen, wenngleich es ihm schwer gefallen sein wird, bis auf sehr wenige Ausnahmen: Zu seiner GU-Feyer am 11.04. a.U. 72 dürfte er sicher erschienen sein, und er war anwesend, als die Gotaha am 10.02. a.U. 78 in einer außerordentlichen Schlaraffiade ihre Auflösung beschloß. Ein letztes Mal setzte er unter ein Protokoll sein markantes Signum, das nun allerdings schon etwas zittrig ausfiel.

Eine große und wahrscheinlich uhuversal einzigartige Ehrung widerfuhr ihm, als sich der Tag der Ehrenhelmverleihung durch die Kyborgia zum 50. Male jährte, und sie ihm aus diesem Anlaß eine fulminante Festsippung widmete. Nur zwei weitere Goten waren anwesend, als sich Krakeel ein letztes Mal auf großer Bühne in seinem Ruhm sonnen durfte und einen goldenen Ehrenhelm entgegennahm.

Insgesamt errang Krakeel fünf Ehrenhelme: neben dem der Kyborgia waren es die der Reyche Vimaria, Chasalla, Ysenaha und Erforda. Letzterer wurde ihm am 24.03. a.U. 49 aufs Haupt gesetzt, jedoch gab er ihn knapp fünf Jahre später wieder zurück.

Rt. Krakeel trat am 30.11.1942 hochbetagt seinen letzten einsamen Ritt gen Ahall an, und so blieb es ihm erspart, die vergeblichen Anstrengungen mit anzusehen, in Gotha nach dem Krieg wieder schlaraffisches Leben anzufachen. Er war Schlaraffe mit Leidenschaft, doch wurde ihm seine Egozentrik zum Verhängnis und daß er der Versuchung nicht hat widerstehen können, Schlaraffia als Bühne für die eigene Selbstdarstellung zu mißbrauchen. Dennoch sind seine Tatkraft und Entschlossenheit bemerkenswert, und deshalb haben wir ihm viel zu verdanken.


Ritter Anatole Schummrich

Dieser Name hat Klang in vielen Reychen, und das aus gutem Grund:
Anatole Schummrich ist weit herumgekommen und hat, ebenso wie Krakeel, als Erzschlaraffe bei der Geburt zweier Reyche mitgewirkt.

Geboren wurde der profane Fritz Gräbert 1854 in Berlin. Er entschied sich fürs Schauspielfach, und damit begann, den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend, eine Zeit voller Veränderungen und Ortswechsel. Erste Station war 1871 das National-Theater in Berlin, sodann folgten in rascher Folge jährlich wechselnde Engagements in Liegnitz, Hamburg, Landsberg a.d. Warthe usw.

Seine ersten schlaraffischen Kontakte hatte er in Augsburg, wo er in der Jahrung a.U. 1582/83 als Knappe 19 in der Reychsmatrikel auftaucht. Ihn in den Stammrollen oder Verlautbarungen der Reyche nachzuweisen, ist in dieser Anfangszeit seines Werdegangs unmöglich. Das hat
zwei Gründe: Zum einen wechselte er so häufig den Wohnort, daß er bei den
Meldungen an die Allmutter mehrfach
durchrutschte. Dazu kommt, daß Meldungen damals noch nicht mit
der Systematik erfolgten, wie es heute üblich ist.

Vermutlich wurde in der Augusta Vindelicorum aus dem Knappen 19 erst der Junker Fritz und danach der Ritter Anatole Schummrich. Sicher ist das aber nicht, und der Ritterschlag kann auch in der Nordhusia erfolgt sein, in der er danach seßhaft war. Dagegen spricht allerdings, daß sein dortiger Aufenthalt wohl nur von kurzer Dauer war, denn er muß nach dem Meldetermin für die Stammrolle (der damals zu Beginn des Jahres lag) begonnen, aber schon gegen Winterungsschluß geendet haben. Er war also höchstens vier Monate in Nordhusia seßhaft.

Bereits am 24.10. a.U. 1583 tritt er uns als Erzschlaraffe der Haidelberga entgegen, in der er sogleich die Würde des OI bekleidete. Hilfreich bei der Gründung war offenbar eine Ansprache an Bühnenkollegen gewesen, denen er die Vorteile geschildert hatte, die sich daraus ergeben konnten,wenn man als umherziehender Schauspieler überall einen Ort für gesellschaftliche Zusammenkünfte vorfand.

Auch in Haidelberga war seines Bleibens nicht lange, denn als fahrender Augusta-Sasse wurde er ein Jahr später in der Gründungsbekanntmachung der Colonie Ulma genannt, die sich am 08. des Herbstmondes a.U. 1584 formierte. Hier nahm Anatole Schummrich die Würde des OÄ an.

In den kommenden Jahrungen wechselte er beruflich bedingt häufig das Reych:
a.U. 1586 kam er zur Berolina, 1587 zur Strelasundia, 1589 zur Metis und 1591 zur Sedina. Als diese a.U. 1594 das Allschlaraffische Sommerfest ausrichtete, trat er in seiner Funktion als Oberschlaraffe mit einer „Bratenrede“ auf. Wenige Monde später meldete er sich in der Erforda seßhaft, wo er am 05.10. a.U. 1594 immatrikuliert wurde.

Hier nun endete sein bis dahin so unstetes Leben. Er ließ sich dauerhaft nieder und brachte es am Theater zum Oberregisseur und Oberspielleiter, firmiert in den letzten Jahren in der Stammrolle aber wieder als „einfacher“ Schauspieler.

Das Dasein als Parterre-Schlaraffe war auch in der Erforda nicht sein Fall und so verwundert es nicht, daß er schon relativ bald wieder in diverse Würden gewählt wurde. In acht Jahrungen war er OÄ bzw. OK, fünf Jahrungen lang war er Junkermeister und drei Jahrungen Ceremonienmeister. Seine Paraderolle aber schien er als Hofnarr gefunden zu haben. Speziell hierauf hob Rt. Fex der Geschwollene ab, als er Anatole Schummrich nach dessen Ahallaritt einen Nachruf in der SZ widmete. Er charakterisierte ihn als „Narren, dessen Pritschenschläge nie schmerzten, dessen Narrentum aber nie zu einem Spaßmachertum herabsinken konnte. Seine ‚Narrheiten‘ waren Lebensweisheiten, sie waren der Ausdruck eines von heiterer Lebensauffassung durchleuchteten Wesens“.

Anatole Schummrich starb am 18.10. a.U. 72 und hinterließ im Uhuversum eine große Lücke. Der Glanz seines Schlaraffentums schimmerte wohltuend in der schwierigen Zeit, die der Uhufinsternis voranging und mag den Erforden in manch schwierigen Stunden Wegweisung gegeben haben. Groß war sein Ruhm im Uhuversum, wovon die Ehrenhelme der Reyche Sedina, Chasalla, Ulma, Strelasundia und Gotaha beredtes Zeugnis ablegen. In der Erforda wurde er Erbschlaraffe, ErbW und Ursippe. Mehrere Veröffentlichungen in der SZ machten eine breitere Leserschaft mit seinem schriftstellerischen Vermögen bekannt.

Er war ein Großer, und kein Gedenken an Erfordas glanzvolle Vergangenheit kommt ohne ihn aus. Den Reychen Haidelberga und Ulma scheint es ebenso zu gehen, denn sie widmeten ihm ausführliche Darstellungen in Chroniken und Festschriften.


Ritter Dolf der Krakoelerbub

Der Weltenbrand löste vor seinem Ende eine Flüchtlingswelle von Menschen aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches und dem Sudetenland aus. Zahlreiche Schlaraffen wurden mit ihr nach Westen gespült und wenn sie deutsches Kernland erreichten, machten sie sich seßhaft. Etwas anders lagen die Verhältnisse in der SBZ insofern, als sich zahlreiche Einheimische von dort auf den Weg in die Westzonen machten, denen sich die Flüchtlinge anschlossen. Wer sich die Stammrollen der Nachkriegszeit ansieht, stellt fest, daß die Reyche im Westen voll waren mit Sassen erloschener Reyche aus Ostpreußen, Brandenburg, Böhmen und Sachsen. Diesen Aderlaß hat die Schlaraffia im Bereich der ehemaligen DDR bis heute nicht verkraftet.

Ritter Dolf war da anders, denn er blieb. Er stammte aus dem böhmischen Aussig, wo er am 11.06.1901 als Adolf Michel das Licht der Welt erblickt hatte. Anders als die beiden zuvor gewürdigten Personen verfügte er über ein schlaraffisch geprägtes familiäres Umfeld. U.a. war sein Vater
als Rt. Krakoel der letzte Reychsmarschall der Ostia. Er war es, der den jungen Adolf auf seinen Ausritten in nordböhmischen Gemarkungen mitnahm.

Später kamen berufsbedingte Reisen als Kaufmann hinzu, die er zusätzlich nutzte, um Verbindungen in das Uhuversum aufzubauen. Mit 27 Jahren meldete er sich als Prüfling in der Ostia, wurde am 01.03. a.U 70 als Knappe 114 aufgenommen und am 14.02. a.U. 71 zum Junker Dolf erhoben. Wieder ein Jahr später erstand dem Uhuversum der Ritter Dolf der Krakoelerbub, der mit der Wahl des Namens seinem Vater ein bleibendes Denkmal setzte.

Das Reych Ostia mußte unmittelbar nach dem Münchner Abkommen seine Pforten schließen, als das Sudetenland als Protektorat Böhmen und Mähren dem Deutschen Reich angegliedert und die profane Stadt Aussig am 09.11.1938 von deutschen Truppen besetzt wurde.

A.U. 92 kam Rt. Dolf ins profane Erfurt und fand Anschluß im Reych. Sein erster Einritt ist belegt am 29.12. des Jahres, wo er sich mit einer „Erinnerung an ein Uhubaumfest in der h. Ostia“ einführte. Und schon in der folgenden Sippung am 26.01. a.U. 93 meldete er sich seßhaft, was vom Reych mit Zustimmung angenommen wurde. Die formelle Aufnahme erfolgte am 08.03. gemeinsam mit Rt. Heliander, der aus der Lignicia gekommen war. Dolf bedankte sich anschließend mit einem Gesangsvortrag, den er selbst auf der Laute begleitete und bekam sofort seinen ersten Titul: „Reychslautenschläger“.

Von da an gehörte Rt. Dolf zum Inventar, denn bis zu seinem Ahallaritt hat er kaum eine Sippung oder einen Stammtisch versäumt. Damit war er nachhaltig qualifiziert für die Übernahme von Würden und Ämbtern, und diese ließen nicht lange auf sich warten. Als Junkermeister Rübchen der Verkohlte am 16.10. a.U. 93 gen Ahall geritten war, erkor das Reych Dolf zu seinem Nachfolger. Diese Würde bekleidete er bis zu seiner Bestallung als Oberschlaraffe im Ostermond a.U. 99. Als solcher diente er dem Reych über viele Jahre, bis er in der Winterung a.U. 114/115 wieder auf den Platz des Junkermeisters zurückkehrte, den er erst in der Winterung a.U. 125/126 für Rt. Musiking räumte. Den Abschluß bildete in den Winterungen a.U. 127/128 bis a.U. 130/131 die Übernahme der Marschallswürde. Aus dieser riß den da schon Hochbetagten sein Ahallaritt am 10.05. a.U. 131.

Immer dann, wenn die heutigen Sassen, die der Erforda schon vor der Wiedervereinigung angehört haben, von alten Zeiten sprechen und Erinnerungen aufleben lassen, dauert es nicht lange, bis die Rede auf Rt. Dolf kommt. Das ist eigentlich auch kein Wunder, wenn man sich das Maß an Bereitschaft vergegenwärtigt, mit dem er über Jahrzehnte seiner Erforda unermüdlich so große Kraft widmete. Höchster Ehrungen wurde er teilhaftig, er war ErbO, ErbJ und ErbW, außerdem Träger der Brillanten zum GU. Ihn schmückten die Ehrenhelme der Reyche Lipsia, Chasalla und Ob der Hamel, und die Zahl seiner Orden und Tituls ist kaum zu übersehen. Überdies war er bekannt für die schönen und zahlreichen Geschichten, die er erzählen konnte, und die immer mit den Worten begannen: „Damals bei uns in der alten Ostia …“.